Vorwort.
Das Erscheinen eines neuen Lesebuchs für Volkssämen scheint,
bei der übergroßen Zahl der vorhandenen, allerdings einer Rechtser-
tt^ung zu bedürfen. Eine kurze Angabe der Grundsätze und Grund-
züge, nach denen vorliegendes bearbeitet worden, mag solche abgeben. —
Seiner Form nach ist dieses Lesebuch wirklich ein Lesebuch,
welches zunächst bezweckt das Lesen lernen, aber ansprechend und
anlockend durch eine Gallerie von wahren, das Gemüth ergreifenden
Beispielen des Großen und Guten. Wahre Lebensbilder bietet es in
seinen meisten Lesestücken, belebend und anregend durch ihre Wahrheit;
keine ersonnenen Geschichten, deren wir nicht bedürfen, so lange das
reiche Leben uns Thatsachen vorhält.— Sprackbuch sodann, woraus
das Kind lernt, wie man richtig spricht und schreibt und woraus es
sich die Belege zu allen von dem Lehrer gegebenen Regeln sucht. Sei-
nem Inhalte nach ist es also auch zugleich ein Lehrbuch, das dem
Schüler Gelegenheit gibt, sich die für das Leben nothwendigen Kennt-
nisse und Fertigkeiten anzueignen. Zu dem Zwecke bietet es die hei-
terste und zugänglichste Sette des Wissens und der Wissenschaft.
Darum erscheint es weder als ein Compendium der Religions- und
Sittenlehre, noch als ein mageres Gerippe der Natur- und Menschen-
kunde, noch als eine geographische und geschichtliche Namen- und
Zahlenwüste; aber zu Besprechungen über diese Stoffe gibt es allent-
halben Gelegenheit und Anregung. Es soll also dieses Lesebuch dem
Kinde sein: Lesebuch, Logik, Grammatik, Analytik, Stylistik, Ortho-
graphie, Anthropologie und Realienbuch; — aber keine Reihenfolge
trockner, grammatisch und orthographisch geordneter Regeln, keine Auf-
stellung vielartiger Schemate der Declinationen und ' Conjugationen,
kein dürres Realien-Skelet, sondern überall ein Spiegel schöner, Geist
und Herz ansprechender Lebensbilder, ein Lebensspregel. —
Wo die Namen der Verfasser bei Lesestücken fehlen, da rühren
dieselben größtentheils von den Herausgebern selbst her; nur bei wenigen
vermochten sie die verehrlichen Verfasser nicht zu ermitteln. — So möge
i)enn dieses Lesebuch unserer deutschen Volksjugend eine gesunde Nah-
rung darbieten, dem treuen, 'einsichtsvollen Lehrer aber ein brauch-
bares Werkzeug zur Förderung wahrer Humanität.
Im Frühlingsmonat 1846.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Erster Theil.
Erste Abtheilung.
Prosaische Lesestücke zur Ausbildung der Lesefertigkeit.
Mündliche und schriftliche Darstellung.
A. Erzählungen.
1. Die wahren Güter.
Der griechische Weise Antisthenes sagte oft bei seinem Unter-
richte: „Man muß sich solche Güter erwerben, die, wenn wir Schiff-
bruch leiden, mit uns ans Land schwimmen."
2. Der edle Feldherr.
Der Feldherr Antigonus horte einst vor seinem Zelte zwei Sol-
daten sehr schimpflich von sich reden. Nachdem er eine Weile zugehört
hatte, trat er hinaus und sprach zu ihnen: „Wenn ihr so von mir
reden wollt, so geht wenigstens ans die Seite, damit ich es nicht höre."
3. Sokrates.
Sokrates, ein weiser Grieche, hörte von seinen Freunden, daß
ein Anderer Böses von ihm rede. „Das ist kein Wunder", sagte
Sokrates, „Gutes reden hat dieser Mensch nicht gelernt."
Ein Anderer gab ihm im Borbeigehen einen Stoß in böser
Absicht. Seine Freunde riechen ihm, er solle den übermüthigen
Mann verklagen. Sokrates aber sagte: „Wenn mich ein Ochs oder
ein Esel gestoßen hätte, würdet ihr? nur wohl rathen, eine Klage
gegen ihn einzureichen?"
4. A r ch i m e d e s.
Archimedes war ein berühmter Mathematiker zu Syrakus. Bei
der Einnahme seiner Vaterstadt durch ein römisches Heer war er so
sehr in seine Berechnungen vertieft, daß er das Schreien und Toben
Lesebuch in Lebensbildern. 4. Aufl. 4
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T31: [Athen Athener Spartaner Flotte Perser Stadt Sparta Krieg Schlacht Griechenland], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T27: [Krieg Römer Rom Hannibal Karthager Karthago Jahr Scipio Spanien Rmer]]
7
und rief: „Bleibt! bleibt! der Hund ist toll! Ich bin schon gebissen
und will ihn allein anlegen." — Sie schleppte ihn mit sich fort
und empfing noch einige Wunden, ohne ihn loszulassen. Sie band
ihn an und so wurde' er getödtet. Der Müller eilte sogleich nach
einem Arzte; die Wunden aber der armen Magd waren zu zahl-
reich, als daß man hätte hoffen können, das Eindringen des Wuth-
giftes ganz zu hindern. Sie selbst gab sogleich alle'hoffnung auf,
ging ruhig in ihre Kammer, warnte noch Jedermann, ihr, wenn
die schrecklichen Wirkungen des Giftes sich äußern sollten, zu nahe
zu kommen, und erwartete nun mit Ergebung ihr Schicksal. Nach
einigen Tagen zeigten sich die ersten Anfälle, aber ohne daß diese
zu einem allzuheftigen Ausbruch kamen, gab sie, von allen edeln
Menschen bewundert'und beweint, ihren Geist auf.
21. Grauenvolle Geschichte.
Zwei Landleute von Bieberstein, im Canton Aargau, machten
im Jahr 1844 Grummet. Als sie fertig waren, ging der eine voll
ihnen ins nahe Dorf, um einen Wagen herbeizuholen, der andere
legt sich auf den Boden und schläft ein. Plötzlich springt er wie
rasend aus dem Schlafe auf und stößt ein fürchterliches, herzzer-
reißendes Geschrei aus. Eine Grille war ihm ins Ohr gekrochen.
Als sein Freund zurückkam, fand er nur noch einen Menschen, der
sich unter den heftigsten Zuckungen auf dem Boden wälzte und
schäumend um sich schlug. Kein Mensch war im Stande, ihn zu
beruhigen, er war in wenigen Augenblicken wahnsinnig geworden.
Man brachte ihn mit Mühe ins Dorf, und der herbeigerufene Arzt
ließ ihm auf der Stelle zur Ader; aber der Kranke riß sich mit
unwiderstehlicher Gewalt los, stürzte aus dem Hause und sprang
in die vorbeifließende Aar. Man zog ihn zwar heraus; aber alle
Versuche, ihn zur Vernunft zu bringen, waren vergeblich, in wenigen
Augenblicken war er ein todter Manu. Der Arme hinterläßt eme
zahlreiche Familie. Bei der Section fand man das Insekt ttef im
Ohre, nahe am Gehirn, und dieß scheint die Ursache gewesen zu
sein, daß der Unglückliche aus der Stelle seinen Verstand verlor. —
22. Die Weiber von Weinsberg.
Es war mitten im Winter des Jahres 1140, als Kaiser Kon-
rad Iii. im Kriege mit Herzog Welf von Baiern die Stadt und
Burg Weinsberg belagerte, weil sie es mit Welf gehalten hatte.
Sie ward endlich gezwungen, sich zu ergeben. Der Kaiser verhieß
aber bei der Uebergabe, daß jede Frau aus der Stadt mitnehmen
dürfte, was sie tragen könnte. Als nun die Thore geöffnet wurden,
da kamen die Fraueil heraus, jede ihren Ehegemahl auf dem Rücken
tragend. Darüber war man denn in des Kaisers Gefolge unge-
halten und ries, das sei Betrug und nicht die Meinung -des Ver-
trags. Konrad aber freute sich dieser kleinen List und sprach: „Ich
hab^s ihnen versprochen; des Königs Wort darf nicht gebrochen
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Bieberstein Welf_von_Baiern Welf Konrad
10
tue Berge umhüllt, so erschallt das Horn von Neuem mit einem
trauliche»! „gute Nacht!" und in Frieden ziehen sich nun die Hirten
in ihre einsamen Wohnungen zurück, um auszuruhen von den Mühen
des Tages.
29. Wolf, Ziege und Kohl.
Ein Mann sollte in einem Kahn einen Wolf, eine Ziege und
einen Haufen Kohl über einen Fluß bringen. Der Kahn war aber
so klein und enge, daß er nur immer einen von diesen Gegenständen
aufnehmen.konnte. Es entstand nun die Frage, welchen der Mann
zuerst überschiffen sollte, ohne fürchten zu müssen, daß während der
Ueberfahrt der Wolf die Ziege, oder die Ziege den Kohl fresse.
Je nun, versetzte Hermann, ich hätte zuerst deu Wolf übergesetzt.
Der Vater. Aber darin hätte ja unterdeß die Ziege den
Kohl aufgefressen.
Bertha. Nein, ich würde zuerst die Ziege übersetzen, denn
der Wolf kann ja doch den Kohl nicht fressen.
Der Vater. Recht gut! Das würde das erste Mal wohl
gehen; aber was soll er nun zur zweiten Ueberfahrt nehmen? Den
Wolf? — so würde dieser während der dritten Ueberfahrt die Ziege
zerreißen. Den Kohl? dann würde dieser eine Beute der Ziege.
Bertha. Ja, da weiß ich wirklich den» armer» Manne keinen
Rath zu geben.
Hermann. Ich eben so wenig, denn wollte er auch zuerst
den Kohl einschiffen, so würde die arme Ziege von dem grausamem
Wolfe zerrissen werden. — Ist denn aber der Kahn wirklich so
schrnal und klein, daß er den Wolf und den Kohl nicht zugleich auf-
nehmen sonnte ?
Der Vater. Wenn dieß anging, so wäre in der That Alles
gerettet. Aber du hast gehört, daß dieß nicht geschehen kann.
Hermann. Nun, da kann ich weder rathen, noch helfen.
Da muß der Mann eins von den Sachen verlieren.
Bertha. Ich ließ die Ziege immer Etwas an dem Kohl
naschen. In der kurzen Zeit wird sie doch so viel nicht fressen. Wenn
ich dann den Wolf zuerst übergesetzt hätte, so holte ich den Kohl und
zuletzt die Ziege.
Der Vater. Das könnte dem armen Manne aber doch Ver-
druß zuziehen, wenn er seinem Herrn den angenagten Kohl über-
brächte.
Hermann. Ei Vater, nun weiß ich, wie ers machen muß.
Unterdeß er den Wolf übersetzt, muß er die Ziege anbinden, daß
sie den Kohl nicht erreichen kann.
Der Vater. Dein Vorschlag ist nicht übel! Aber es fehlt
sowohl an einem Stricke, als auch an einem Baume.
Hermann. Schlimm, daß auch Alles so unglücklich zusam-
mentreffen muß.
Bertha. Kounte aber airch der Mann nicht vorher daran
denken ur»d sich mit einem Knüppel und Strick versehen.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Hermann Wolf Bertha Bertha Hermann Wolf Hermann Bertha Wolf Hermann Hermann Bertha
11
Der Vater. Daran hat er wirklich nicht gedacht. Da er nun
einmal in der Verlegenheit ist, so möcht' ich ihn doch gern daraus
gerettet sehen.
Ich hab's! rief endlich Wilhelm, der lange in tiefem Nach-
denken gesessen hatte.
Der Vater. Ei, vortrefflich! So gibt es also wirklich ein
Mittel, die Ziege und den Kohl zu retten? Laß doch hören!
Wilhelm. Beim ersten Ueberfahreu nimmt der Mann die
Ziege, der Kohl bleibt beim Wolf, der ihn gewiß nicht anrührt. Das
zweite Mal nimmt er den Kohl, bringt ihn an das jenseitige Ufer
und nimmt bei der Rückfahrt die Ziege wieder mit. Diese führt
er dann aus dem Schiff und schifft nun den Wolf über, der dann
wieder zu dem Kohl kommt. Zuletzt holt er die Ziege, und so ist
Alles in Sicherheit.
Der Vater. Brav, Wilhelm! Richtig gedacht! Der Mann
machte es ebenso, wie du gerathen hast.
30. Die Entdeckung.
Fritz. Hier, Mutter, hier bring' ich dir etwas Gutes! Ach
versuch' nur einmal, wie süß, wie süß!'
Mutter (traurig). Danke Fritz. Behalte doch die Traube! Vor
Allem aber sprich, woher du sie hast.
Fritz. Von unsenn Herrn Pfarrer. Ich hab' ihm auf einer
Leiter die Trauben an seinem Hause abgebrochen, und dafür gab er
mir diese. O versuch' nur! Ich hab auch ein paar Beerchen davon
gepflückt.
Mutter. Fritz, mich hungert und dürstet diesen Abend nicht.
Fritz. Und warum nicht? . . Ach du bist traurig, Mutter!
Was fehlt dir?
Mutter. Ach Fritz! Ich hab' eine schreckliche Entdeckung gemacht.
Fritz. Eine schreckliche Entdeckung? du weinst, Mutter?'
Mutter. Soll ich nicht weinen, wenn meine Kinder, die ich
zu allem Guten erziehe, die mir euer seliger Vater im Sterben noch
auf die Seele gebunden hat, so schändlich mißrathen?
.. Fritz. Gott, wie erschreckst du mich, Mutter! Hab' ich was
Böses gethan? Ach Gott, ich weiß es nicht einmal!
Mutter. Du nicht, aber dein Bruder Karl.
Fritz. Ach der gute Karl! Was hat er denn Böses gethan?
Hat er dir nicht gefolgt?
_ , Mutter. Ja wohl nicht gefolgt! — Fritz, wie heißt das
siebente Gebot?
Fritz. Du sollst nicht stehlen. — Meinst du etwa, ich wüßte
nicht einmal, wie das siebente Gebet heißt?
Mutter. Dein älterer Bruder Karl weiß es schon länger und
besser, als du; und doch — hat er es nicht befolgt!
Fritz. Nicht möglich! Karl, der gute Karl hätte gestohlen? —
Da wäre ja Karl ein Dieb! * v
Mutter. Wer Obst und Geld stiehlt, ist der kein Dieb?
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm Wilhelm Wilhelm Fritz Fritz Fritz Fritz Fritz Fritz Fritz Fritz Karl Fritz Fritz Karl Karl Fritz Karl Karl Karl Karl Karl Karl
12
Fritz. Ja wohl, ja wohl ist er's! Aber hatte der ehrliche
Karl das gethan, der jeden Bissen mit uns theilte?
Mutter. Leider! Gestern sah' ich, daß er sein Kleiderkäftchen
so schnell zuschloß und ganz verlegen that, als ich ihn darüber antraf.
Es fiel mir ans; aber ich dachte doch nichts Arges. Heute seh' ich
gegen alle Gewohnheit den Schlüssel abgezogen. Ich suche und finde
den Schlüssel in seinem Jäckchen; ich schließe auf — und o Gott!
was sah ich! — Ach ! er hat ganz vergessen, was sein sterbender Va-
ter uns sagte: „Wir find wohl arm; aber wir werden viel Gutes
haben, wenn wir Gott fürchten, die Sünde meiden und Gutes thun."
Fritz (weint). Und wober weißt du denn, daß er den schönen
Spruch vergessen hat?
Mutter. Ach! ich fand in seinem Lädchen zwölf Aepfel, ein
ganzes Häufchen Nüsse und dreißig Kreuzer baares Geld. Das Alles
hat er nicht mit Recht, denn er hielt es geheim und hatte kein gutes
Gewissen, als lch ihn darüber antraf.
Fritz. O freu' dich, Mutter! Karl ist noch immer unser ehr-
licher Karl! — Aber ich muß ihm wehe thun, ich muß sein Geheim-
niß verrathen.
Mutter. Und welches? daß er gestohlen hat? und darüber soll
ich mich freuen?
Fritz. Nein, o nein doch! Schon seit einem Vierteljahre spart
er alle Heller zusammen (und auch ich habe dazu gesteuert), um dir
eine Freude zu machen. Du sollst erfahren, wie ehrlich wir zu den
dreißig Kreuzern gekommen sind. Wir haben sie bei Herrn Wendler
verdient. Du weißt, er gibt den Kindern gern Etwas, wenn sie ihm
einen Gefallen thun. Auch die Aepfel und Nüsse sind nicht gestohlen.
Die Nüsse haben wir gekauft und die Aepfel bekamen wir geschenkt.
Für das Geld hatten wir ein Paar wollene Handschuhe auf den Win-
ter für dich bestellt, damit dich nicht so frieren soll, üebe Mutter, und
in kommender Woche, an deinem Geburtstage, wollten wir dich da-
mit anbinden. Ich wollte die Aepfel und Nüsse in unserm kleinen
Armkörbchen und Karl die Handschuhe auf einem neuen irdenen Teller
dir bringen. Siehst du, nun weißt du Alles, liebe Mutter! Aber
ach! nun ist dir die Freude verdorben!
Mutter (mit Thränen ihn küssend). Nicht verdorben, lieber Fritz!
Meine Freude ist nun doppelt groß! — 'Ach, verzeihe mir den Ver-
dacht! Er kam aus Liebe zu euch. Ihr sollt lieber sterben, als un-
ehrlich sein.
Fritz. Aber liebe Mutter, der arme Karl würde weinen, wenn
du ihm sagtest, daß du ihn für so böse gehalten hast. — Er hat sich
auf deinen Geburtstag so herzlich gefreut! Wir wollen schweigen von
deinem Verdachte und ihn auch nicht wissen lassen, daß sein Geheim-
niß verrathen ist!
Mutter. Recht so, mein lieber Fritz! Deinem Karl soll die
Freude nicht verdorben werden. Mir thut es leid genug, daß ich
deine verdorben habe.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Fritz Karl Karl Fritz_( Fritz Karl Karl Fritz Karl Karl Fritz Karl Karl Karl Karl
14
scheu am nützlichsten wäre? Die Kuh sprach: Von mir hat er die
süße Milch, den wohlschmeckenden Käse und die Butter, welche ihm
das Oel ersetzt. Das Pferd sprach: Ich bin das Segel der Wagen
und der Fittig des Reiters. Das Schaf: Ich gehe nackt und bloß,
damit er gekleidet sei. Da kam der Hund zu ihnen. Den blickten
sie verächtlich von der Seite an als ein unnützes, mit ihnen nicht zu
vergleichendes Thier. Aber der Herr, welcher dem Hunde folgte,
rief ihn freundlich zu sich, streichelte und liebkoste ihn. Da das die
andern Thiere sahen, murrten sie, und das Pferd faßte sich ein
Herz und fragte: Warum thust du also, Gebieter? Sind wir deiner
Aufmerksamkeit nicht würdiger, als dieses unnütze Thier? Aber der
Herr streichelte seinen Hund noch freundlicher und sprach: „Dieser
hat, treu und kühn, mein geliebtes Söhnlein gerettet aus rauschen-
den Wasserfluthen; sollte ich nun sein vergessen können?"
Z o l l i k o f e r.
35. Die zwei Sperlinge.
In einem trockenen Mißjahre quälte der Hunger zwei Sperlinge
sehr; beide fühlten sich schon dem Verschmachten nahe. — „Sammle
noch einmal deine Kräfte, lieber Bruder," sprach der Schwächste von
ihnen, „fleuch umher und sieh', ob du nicht irgendwo einige Nah-
rung entdeckest! Ich flöge gern mit, aber ich kann nicht mehr. Fin-
dest du Speise, so bring auch mir Etwas davon! Aber nur bald;
denn sonst hat der Hunger mich umgebracht." — Der Stärkere ver-
sprach es und flog aus. Das Glück war ihm günstig. Er sah einen
Kirschbaum voll reifer Früchte. — „O," rief er, „geborgen ist nun
mein Freund und ich!" — Er flog hinzu, kostete, fand die Kirschen
vortrefflich und stillte seinen Hunger bis zum Uebermaß. Eine Stunde
verfließt; die Sonne senkte sich zum Untergange. Er will jetzt, mit
einigen Kirschen beladen, zu seinem Freunde fliegen. — Doch nein!
nein! denkt er wieder, noch bin ich selbst zu matt; noch will ich diese
Kirsche verzehren und dann jene! — So fährt er fort; so flattert er
von Ast zu Ast, bis die Dunkelheit ihn überrascht und er einschläft.
Erst am Morgen erwacht er wieder und eilt nun wirklich zu seinem
verlassenen Bruder. Er findet ihn — aus dem Rücken liegend — todt.
Nichts sei dir heiliger, als die Erfüllung deines Versprechens,
zumal wenn es dem Nothleidenden gegeben ist. Der Edle vergißt
nn eignen Glück das Unglück seiner Brüder nicht.
Meißner.
36. Der Wolf und das Lamm.
Ein Wolf und ein Lamm kamen an den nämlichen Bach, um zu
trinken. Oben an der Quelle stand der Wolf, viel weiter unten das
Lamm. Da aber den Wolf nach dem Fleische des Lammes gelüstete,
so suchte er eine Veranlassung, an dasselbe zu kominen. Darum hub
er an, dem Lamm Vorwürfe zu machen. „Warum," sprach er,
„machst du mir das Wasser, das ich trinken will, trübe?" Ganz
bescheiden erwiderte das Lamm: „Gnädiger Herr, wie kann ich Ihnen
/
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
15
das Wasser trübe machen, es fließt ja von Ihnen zu mir herunter."
Das konnte der Wolf nicht läugnen; aber statt sich seiner Ungerech-
tigkeit zu schämen, brachte er eine noch falschere Anklage vor. „Ja,"
sagte er, „eben kenne ich dich, du bist das Lamm, das mich vor einem
halben Jahre geschimpft hat." „Ich bitte Sie, Herr Wolf," ant-
wortete zitternd das Lamm, denn es merkte schon die böse Absicht
seines Feindes, „vor einem halben Jahre war ich noch-gar nicht ge-
boren." „Ei was," schrie jetzt der Wolf, dein es zu lange dauerte,
„wenn du es nicht warst, so war es dein Vater;" und -damit
machte er sich über das unschuldige Thierchen her und zerriß es.
C u r t m a n.
37. Der alte Löwe.
Ein alter Löwe, der von jeher grausam gewesen war, lag kraft-
los vor seiner Höhle und erwartete seinen Tod. Die Thiere, welche
sonst in Schrecken geriethen, wenn sie ihn sahen, bedauerten ihn nicht;
denn wer betrübt sich wohl über den Tod eines Friedenstörers, vor
dem man nie ruhig und sicher sein kann? Sie freuten sich vielmehr,
daß sie nun bald ihn los sein würden. Einige von ihnen, die noch
immer das Unrecht schmerzte, welches er ihnen ehedem angethan hatte,
wollten nun ihren alten Haß an ihm auslasten. Der arglistige Fuchs
krankte ihn mit beißenden Reden; der Wolf sagte ihm die ärgsten
Schimpfworte; der Ochs stieß ihn mit den Hörnern; das wilde Schwein
verwundete ihn mit seinen Hauern; und selbst der träge Esel gab
ihm einen Schlag mit seinem Hufe. Das edle Pferd allein stand
dabei und that ihm Nichts, obwohl der Löwe seine Mutter zerrissen
hatte. „Willst du nicht," fragte der Esel, „dem Löwen auch Eins
hinter die Ohren geben?" Das Pferd antwortete ernsthaft: „Ich
halte es für niederträchtig, mich an einem Feinde zu rächen, der mir
nicht schaden kann." Lessing.
38. Die Eichel und der Kürbifl.
Der Bauer Gernklug war verdrießlich über den lieben Gott,
daß er die Welt nicht besser eingerichtet habe. „Was ist es, sprach
er, zum Beispiel für eine Verkehrtheit, daß der hohe Eichbaum ein
so kleines Früchtchen trägt, während der prächtige Kürbiß auf der Erde
liegen muß. Wenn ich die Welt geschaffen hätte, ich hätte das ganz
anders eingerichtet. Wie schön hätten sich die gelben Kürbisse aus der
grünen Eiche ausnehmen sollen." Während der kluge Mann so spricht,
kommt er unter eine Eiche, und weil tf)iu der kühle Schatten gefällt,
so legte er sich ins Gras und schlief ein. Unterdessen erhebt sich der
Wind und schüttelt die Zweige der Eiche, und eine Eichel fällt und
fällt unserem Gernklug gerade auf die Nase. Wie vom Blitz ge-
troffen, fuhr der Bauer aus dem Schlafe auf und griff nach seiner
Nase. Die war zwar noch da, aber sie blutete und schmerzte ihn ge-
waltig. Als nun Gernklug das kleine Eichelchen ansah, das ihn so
übel zugerichtet hatte, da fielen ihm die vermessenen Worte wieder
ein, mit welchen er eingeschlafen war, und ganz kleinmüthig hob er
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden]]
TM Hauptwörter (200): [T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
17
bekennt seinem Meister, den er um Gotteswillen um Verzeihung bittet.
Der Meister aber wird vom Zorn ergriffen, zieht das Schwert und
ersticht den Jungen auf der Stelle. Dann eilt er hinaus, will sehen,
was noch vom Werk zu retten sei und räumt nach der Verkühlung
ab. Als er abgeräumt hatte, siehe, so war die ganze Glocke trefflich
ausgegossen und ohne Fehl; voll Freuden kehrte der Meister in
die Stube zurück und sah nun erst, was für Uebels er gethan hatte.
Der Lehrjnnge war verblichen; der Meister wurde eingezogen und von
den Richtern zum Schwert verurtheilt. Jnmittelst war auch die Glocke
aufgezogen worden. Da bat der Glockengießer flehentlich: Ob sie nicht
noch geläutet werden dürfte, er möchte ihren Klang auch wohl hören,
da er sie doch zugerichtet hätte, wenn er die Ehre vor seinem letzten
Ende von den Herrn haben könnte. Die Obrigkeit ließ ihm willsah-
ren, und seit der Zeit wird mit dieser Glocke allen armen Sündern,
wenn sie vom Rathhaus herunterkommen, geläutet.
Dieselben.
42. Das Riesenspielzeug.
Im Elsaß liegt die Burg Niedeck, welche von Riesen bewohnt
wurde. Einmal kam das Riesenfräulein herab und ging im Thal
spazieren. Sie sah bei Haslach einen Bauer mit seinen Pferden einen
Acker pflügen. So Etwas hatte sie noch nie gesehen. Sie kniete
nieder, breitete ihre Schürze ans und raffte Pferde, Mann und Pflug
hinein. Mit einigen Schritten war sie wieder den Berg hinauf und
packte vor ihrem Vater, der noch bei Tische saß, die gefundenen
Spielsachen aus. Sie hatte große Freude an den zappeligen, kleinen
Dingern, klatschte in die Hände und lies lachend um den Tlsch herum.
Aber ihr Vater sagte ernst: Das ist kein Spielzeug, mein Kind; wenn
die Bauern nicht das Feld bestellten, so müßten wir bald Hungers
sterben. Darum nimm sogleich die kleinen Geschöpfe wieder in die
Schürze und trage sie sachte an den Ort zurück, wo du sie genommen
hast. Das Fräulein weinte und wollte nicht; aber es mußte gehorchen.
Dasselbe soll auch beim Schlosse Lichtenberg vorgefallen sein,
welches in der hessischen Provinz Starkenburg liegt, in der Nähe von
Reinheim im Odenwald. Lauckhard's Sagen.
43. Der Mäusethurm.
Es war, wie die Sage berichtet, im Jahre nach Christi Geburt
968, als Hatto Ii., der Ostfranken Herzog, ein Mann von großer
Klughelt und überhaupt glänzenden Geistesgaben, ginn Erzbischöfe von
Mainz erwählt ward. Er war aber ein hartherziger Mann und dem
Geize sehr ergeben, häufte daher Schätze auf Schätze xutb verwahrte
sie sorgfältig.
Während seiner Regierung trat zu Mainz und in der umliegen-
den Gegend eine so große Hnngersnoth ein, daß die Armen aus
Mangel an Lebensmitteln dahin starben. Ein großer Haufe drang
vor Hatto's Schloß und bestürmte ihn mit flehenden Bitten um Lin-
derung ihrer Noth.
Lesebuch in Lebensbildern. 4. Nnfl. 2
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch]]
Extrahierte Personennamen: Hatto_Ii Nnfl
Extrahierte Ortsnamen: Burg_Niedeck Haslach Lichtenberg Reinheim Odenwald Christi Mainz Mainz
34
„Dürft’ ich Sie wohl ersuchen,“ — sagte Columbus zu jenem vor-
nehmen Hofmann — „dieses Ei so auf die Spitze zu stellen, dass
es nicht umfällt?“ — Vergeblich versuchte dieser das Ei zum Stehen
zu bringen. Der Nachbar bat es sich aus; es gelang ihm eben so
wenig. Nun drängten sich die Andern dazu. Ein Jeder wollte den
Preis gewinnen; allein Keinem war es möglich, das Kunststück aus-
zuführen. „Es ist unmöglich!“ rief die vornehme Gesellschaft; „Ihr
verlangt Unausführbares!“ — „Und doch ist es möglich,“ sagte
Columbus. Er nahm das Ei, setzte es mit einem leichten Schlag
auf den Tisch, und fest stand es auf der eingedrückten Schaale. —
„Ja! das kann ein Jeder von uns“ riefen die Hofmänner. — Seit-
dem hört man oft sprichwörtlich anwenden:
„Das Ei des Columbus!“
72. Merkwürdige Lebensrettung.
Ein Buschmanns-Kind, kaum vier Jahre alt, schlief neben sei-
nen Eltern in einer halboffenen Hütte. Gegen Mitternacht wachte es
auf und setzte sich neben das noch brennende Feuer. Der Vater,
welcher ein wenig nachher aufwachte, suchte sein Kind mit den
Augen. Da sah er mit Schrecken einen Löwen in die Hütte treten
und sich dem Feuer nähern. Der arme Kleine kannte weder Gefahr
noch Furcht. Ruhig sprach er mit dem Thiere und warf heisse
Asche nach ihm. Der Löwe brummte und näherte sich mit offenem
Rachen. Da nahm das Kind einen glühenden Feuerbrand und warf
ihn dem Löwen in den Rachen, welcher sogleich davon lief.
73 Claus Horn.
§ 1. Claus Horn war ein Sohn des reichen Johann Horn und
ein Enkel des berühmten Gelehrten Erich Horn. Ich nenne seine
Vorfahren, weil sein eigener Name nicht gar zu bekannt ist. Er
hatte einen natürlichen Abscheu vor aller Arbeit. Seine Tugenden
bestanden in zehntausend Thalern Einkünften. Wenn ihn die Vor-
sehung nicht mit diesem Vorzüge begabt hätte, so würde er seinem
Vaterlande zur Last gefallen sein.
§ 2. Seine Berufsart war die, dass er aus dem Bette auf-
stand und sich wieder niederlegte. Obgleich er neun und fünfzig
Jahre lebte, so hat er sein Alter doch nur auf neunzehn Jahre ge-
bracht. Man muss nämlich diejenige Zeit davon abrechnen, in wel-
cher er schlief.
§ 3. Die Gerechtigkeit muss man ihm wiederfahren lassen,
dass er einsah, wie wenig Antheil er an dem Vermögen hatte,
welches nicht er, sondern seine Voreltern durch Fleiss erworben.
Um desswillen betrachtete er sich nur als einen Verwalter fremder
Güter, von welchen er einmal Rechnung ablegen müsste.
§ 4. Was er zu seiner grössten Nothdurft brauchte, das
nahm er davon; weiter Nichts. Hätte er durch sein Vermögen not-
leidenden Fremden beistehen sollen, so würde er dieses für einen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]