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1. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. V

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
Vorwort. Das Erscheinen eines neuen Lesebuchs für Volkssämen scheint, bei der übergroßen Zahl der vorhandenen, allerdings einer Rechtser- tt^ung zu bedürfen. Eine kurze Angabe der Grundsätze und Grund- züge, nach denen vorliegendes bearbeitet worden, mag solche abgeben. — Seiner Form nach ist dieses Lesebuch wirklich ein Lesebuch, welches zunächst bezweckt das Lesen lernen, aber ansprechend und anlockend durch eine Gallerie von wahren, das Gemüth ergreifenden Beispielen des Großen und Guten. Wahre Lebensbilder bietet es in seinen meisten Lesestücken, belebend und anregend durch ihre Wahrheit; keine ersonnenen Geschichten, deren wir nicht bedürfen, so lange das reiche Leben uns Thatsachen vorhält.— Sprackbuch sodann, woraus das Kind lernt, wie man richtig spricht und schreibt und woraus es sich die Belege zu allen von dem Lehrer gegebenen Regeln sucht. Sei- nem Inhalte nach ist es also auch zugleich ein Lehrbuch, das dem Schüler Gelegenheit gibt, sich die für das Leben nothwendigen Kennt- nisse und Fertigkeiten anzueignen. Zu dem Zwecke bietet es die hei- terste und zugänglichste Sette des Wissens und der Wissenschaft. Darum erscheint es weder als ein Compendium der Religions- und Sittenlehre, noch als ein mageres Gerippe der Natur- und Menschen- kunde, noch als eine geographische und geschichtliche Namen- und Zahlenwüste; aber zu Besprechungen über diese Stoffe gibt es allent- halben Gelegenheit und Anregung. Es soll also dieses Lesebuch dem Kinde sein: Lesebuch, Logik, Grammatik, Analytik, Stylistik, Ortho- graphie, Anthropologie und Realienbuch; — aber keine Reihenfolge trockner, grammatisch und orthographisch geordneter Regeln, keine Auf- stellung vielartiger Schemate der Declinationen und ' Conjugationen, kein dürres Realien-Skelet, sondern überall ein Spiegel schöner, Geist und Herz ansprechender Lebensbilder, ein Lebensspregel. — Wo die Namen der Verfasser bei Lesestücken fehlen, da rühren dieselben größtentheils von den Herausgebern selbst her; nur bei wenigen vermochten sie die verehrlichen Verfasser nicht zu ermitteln. — So möge i)enn dieses Lesebuch unserer deutschen Volksjugend eine gesunde Nah- rung darbieten, dem treuen, 'einsichtsvollen Lehrer aber ein brauch- bares Werkzeug zur Förderung wahrer Humanität. Im Frühlingsmonat 1846.

2. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 1

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
Erster Theil. Erste Abtheilung. Prosaische Lesestücke zur Ausbildung der Lesefertigkeit. Mündliche und schriftliche Darstellung. A. Erzählungen. 1. Die wahren Güter. Der griechische Weise Antisthenes sagte oft bei seinem Unter- richte: „Man muß sich solche Güter erwerben, die, wenn wir Schiff- bruch leiden, mit uns ans Land schwimmen." 2. Der edle Feldherr. Der Feldherr Antigonus horte einst vor seinem Zelte zwei Sol- daten sehr schimpflich von sich reden. Nachdem er eine Weile zugehört hatte, trat er hinaus und sprach zu ihnen: „Wenn ihr so von mir reden wollt, so geht wenigstens ans die Seite, damit ich es nicht höre." 3. Sokrates. Sokrates, ein weiser Grieche, hörte von seinen Freunden, daß ein Anderer Böses von ihm rede. „Das ist kein Wunder", sagte Sokrates, „Gutes reden hat dieser Mensch nicht gelernt." Ein Anderer gab ihm im Borbeigehen einen Stoß in böser Absicht. Seine Freunde riechen ihm, er solle den übermüthigen Mann verklagen. Sokrates aber sagte: „Wenn mich ein Ochs oder ein Esel gestoßen hätte, würdet ihr? nur wohl rathen, eine Klage gegen ihn einzureichen?" 4. A r ch i m e d e s. Archimedes war ein berühmter Mathematiker zu Syrakus. Bei der Einnahme seiner Vaterstadt durch ein römisches Heer war er so sehr in seine Berechnungen vertieft, daß er das Schreien und Toben Lesebuch in Lebensbildern. 4. Aufl. 4

3. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 7

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
7 und rief: „Bleibt! bleibt! der Hund ist toll! Ich bin schon gebissen und will ihn allein anlegen." — Sie schleppte ihn mit sich fort und empfing noch einige Wunden, ohne ihn loszulassen. Sie band ihn an und so wurde' er getödtet. Der Müller eilte sogleich nach einem Arzte; die Wunden aber der armen Magd waren zu zahl- reich, als daß man hätte hoffen können, das Eindringen des Wuth- giftes ganz zu hindern. Sie selbst gab sogleich alle'hoffnung auf, ging ruhig in ihre Kammer, warnte noch Jedermann, ihr, wenn die schrecklichen Wirkungen des Giftes sich äußern sollten, zu nahe zu kommen, und erwartete nun mit Ergebung ihr Schicksal. Nach einigen Tagen zeigten sich die ersten Anfälle, aber ohne daß diese zu einem allzuheftigen Ausbruch kamen, gab sie, von allen edeln Menschen bewundert'und beweint, ihren Geist auf. 21. Grauenvolle Geschichte. Zwei Landleute von Bieberstein, im Canton Aargau, machten im Jahr 1844 Grummet. Als sie fertig waren, ging der eine voll ihnen ins nahe Dorf, um einen Wagen herbeizuholen, der andere legt sich auf den Boden und schläft ein. Plötzlich springt er wie rasend aus dem Schlafe auf und stößt ein fürchterliches, herzzer- reißendes Geschrei aus. Eine Grille war ihm ins Ohr gekrochen. Als sein Freund zurückkam, fand er nur noch einen Menschen, der sich unter den heftigsten Zuckungen auf dem Boden wälzte und schäumend um sich schlug. Kein Mensch war im Stande, ihn zu beruhigen, er war in wenigen Augenblicken wahnsinnig geworden. Man brachte ihn mit Mühe ins Dorf, und der herbeigerufene Arzt ließ ihm auf der Stelle zur Ader; aber der Kranke riß sich mit unwiderstehlicher Gewalt los, stürzte aus dem Hause und sprang in die vorbeifließende Aar. Man zog ihn zwar heraus; aber alle Versuche, ihn zur Vernunft zu bringen, waren vergeblich, in wenigen Augenblicken war er ein todter Manu. Der Arme hinterläßt eme zahlreiche Familie. Bei der Section fand man das Insekt ttef im Ohre, nahe am Gehirn, und dieß scheint die Ursache gewesen zu sein, daß der Unglückliche aus der Stelle seinen Verstand verlor. — 22. Die Weiber von Weinsberg. Es war mitten im Winter des Jahres 1140, als Kaiser Kon- rad Iii. im Kriege mit Herzog Welf von Baiern die Stadt und Burg Weinsberg belagerte, weil sie es mit Welf gehalten hatte. Sie ward endlich gezwungen, sich zu ergeben. Der Kaiser verhieß aber bei der Uebergabe, daß jede Frau aus der Stadt mitnehmen dürfte, was sie tragen könnte. Als nun die Thore geöffnet wurden, da kamen die Fraueil heraus, jede ihren Ehegemahl auf dem Rücken tragend. Darüber war man denn in des Kaisers Gefolge unge- halten und ries, das sei Betrug und nicht die Meinung -des Ver- trags. Konrad aber freute sich dieser kleinen List und sprach: „Ich hab^s ihnen versprochen; des Königs Wort darf nicht gebrochen

4. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 10

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
10 tue Berge umhüllt, so erschallt das Horn von Neuem mit einem trauliche»! „gute Nacht!" und in Frieden ziehen sich nun die Hirten in ihre einsamen Wohnungen zurück, um auszuruhen von den Mühen des Tages. 29. Wolf, Ziege und Kohl. Ein Mann sollte in einem Kahn einen Wolf, eine Ziege und einen Haufen Kohl über einen Fluß bringen. Der Kahn war aber so klein und enge, daß er nur immer einen von diesen Gegenständen aufnehmen.konnte. Es entstand nun die Frage, welchen der Mann zuerst überschiffen sollte, ohne fürchten zu müssen, daß während der Ueberfahrt der Wolf die Ziege, oder die Ziege den Kohl fresse. Je nun, versetzte Hermann, ich hätte zuerst deu Wolf übergesetzt. Der Vater. Aber darin hätte ja unterdeß die Ziege den Kohl aufgefressen. Bertha. Nein, ich würde zuerst die Ziege übersetzen, denn der Wolf kann ja doch den Kohl nicht fressen. Der Vater. Recht gut! Das würde das erste Mal wohl gehen; aber was soll er nun zur zweiten Ueberfahrt nehmen? Den Wolf? — so würde dieser während der dritten Ueberfahrt die Ziege zerreißen. Den Kohl? dann würde dieser eine Beute der Ziege. Bertha. Ja, da weiß ich wirklich den» armer» Manne keinen Rath zu geben. Hermann. Ich eben so wenig, denn wollte er auch zuerst den Kohl einschiffen, so würde die arme Ziege von dem grausamem Wolfe zerrissen werden. — Ist denn aber der Kahn wirklich so schrnal und klein, daß er den Wolf und den Kohl nicht zugleich auf- nehmen sonnte ? Der Vater. Wenn dieß anging, so wäre in der That Alles gerettet. Aber du hast gehört, daß dieß nicht geschehen kann. Hermann. Nun, da kann ich weder rathen, noch helfen. Da muß der Mann eins von den Sachen verlieren. Bertha. Ich ließ die Ziege immer Etwas an dem Kohl naschen. In der kurzen Zeit wird sie doch so viel nicht fressen. Wenn ich dann den Wolf zuerst übergesetzt hätte, so holte ich den Kohl und zuletzt die Ziege. Der Vater. Das könnte dem armen Manne aber doch Ver- druß zuziehen, wenn er seinem Herrn den angenagten Kohl über- brächte. Hermann. Ei Vater, nun weiß ich, wie ers machen muß. Unterdeß er den Wolf übersetzt, muß er die Ziege anbinden, daß sie den Kohl nicht erreichen kann. Der Vater. Dein Vorschlag ist nicht übel! Aber es fehlt sowohl an einem Stricke, als auch an einem Baume. Hermann. Schlimm, daß auch Alles so unglücklich zusam- mentreffen muß. Bertha. Kounte aber airch der Mann nicht vorher daran denken ur»d sich mit einem Knüppel und Strick versehen.

5. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 11

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
11 Der Vater. Daran hat er wirklich nicht gedacht. Da er nun einmal in der Verlegenheit ist, so möcht' ich ihn doch gern daraus gerettet sehen. Ich hab's! rief endlich Wilhelm, der lange in tiefem Nach- denken gesessen hatte. Der Vater. Ei, vortrefflich! So gibt es also wirklich ein Mittel, die Ziege und den Kohl zu retten? Laß doch hören! Wilhelm. Beim ersten Ueberfahreu nimmt der Mann die Ziege, der Kohl bleibt beim Wolf, der ihn gewiß nicht anrührt. Das zweite Mal nimmt er den Kohl, bringt ihn an das jenseitige Ufer und nimmt bei der Rückfahrt die Ziege wieder mit. Diese führt er dann aus dem Schiff und schifft nun den Wolf über, der dann wieder zu dem Kohl kommt. Zuletzt holt er die Ziege, und so ist Alles in Sicherheit. Der Vater. Brav, Wilhelm! Richtig gedacht! Der Mann machte es ebenso, wie du gerathen hast. 30. Die Entdeckung. Fritz. Hier, Mutter, hier bring' ich dir etwas Gutes! Ach versuch' nur einmal, wie süß, wie süß!' Mutter (traurig). Danke Fritz. Behalte doch die Traube! Vor Allem aber sprich, woher du sie hast. Fritz. Von unsenn Herrn Pfarrer. Ich hab' ihm auf einer Leiter die Trauben an seinem Hause abgebrochen, und dafür gab er mir diese. O versuch' nur! Ich hab auch ein paar Beerchen davon gepflückt. Mutter. Fritz, mich hungert und dürstet diesen Abend nicht. Fritz. Und warum nicht? . . Ach du bist traurig, Mutter! Was fehlt dir? Mutter. Ach Fritz! Ich hab' eine schreckliche Entdeckung gemacht. Fritz. Eine schreckliche Entdeckung? du weinst, Mutter?' Mutter. Soll ich nicht weinen, wenn meine Kinder, die ich zu allem Guten erziehe, die mir euer seliger Vater im Sterben noch auf die Seele gebunden hat, so schändlich mißrathen? .. Fritz. Gott, wie erschreckst du mich, Mutter! Hab' ich was Böses gethan? Ach Gott, ich weiß es nicht einmal! Mutter. Du nicht, aber dein Bruder Karl. Fritz. Ach der gute Karl! Was hat er denn Böses gethan? Hat er dir nicht gefolgt? _ , Mutter. Ja wohl nicht gefolgt! — Fritz, wie heißt das siebente Gebot? Fritz. Du sollst nicht stehlen. — Meinst du etwa, ich wüßte nicht einmal, wie das siebente Gebet heißt? Mutter. Dein älterer Bruder Karl weiß es schon länger und besser, als du; und doch — hat er es nicht befolgt! Fritz. Nicht möglich! Karl, der gute Karl hätte gestohlen? — Da wäre ja Karl ein Dieb! * v Mutter. Wer Obst und Geld stiehlt, ist der kein Dieb?

6. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 12

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
12 Fritz. Ja wohl, ja wohl ist er's! Aber hatte der ehrliche Karl das gethan, der jeden Bissen mit uns theilte? Mutter. Leider! Gestern sah' ich, daß er sein Kleiderkäftchen so schnell zuschloß und ganz verlegen that, als ich ihn darüber antraf. Es fiel mir ans; aber ich dachte doch nichts Arges. Heute seh' ich gegen alle Gewohnheit den Schlüssel abgezogen. Ich suche und finde den Schlüssel in seinem Jäckchen; ich schließe auf — und o Gott! was sah ich! — Ach ! er hat ganz vergessen, was sein sterbender Va- ter uns sagte: „Wir find wohl arm; aber wir werden viel Gutes haben, wenn wir Gott fürchten, die Sünde meiden und Gutes thun." Fritz (weint). Und wober weißt du denn, daß er den schönen Spruch vergessen hat? Mutter. Ach! ich fand in seinem Lädchen zwölf Aepfel, ein ganzes Häufchen Nüsse und dreißig Kreuzer baares Geld. Das Alles hat er nicht mit Recht, denn er hielt es geheim und hatte kein gutes Gewissen, als lch ihn darüber antraf. Fritz. O freu' dich, Mutter! Karl ist noch immer unser ehr- licher Karl! — Aber ich muß ihm wehe thun, ich muß sein Geheim- niß verrathen. Mutter. Und welches? daß er gestohlen hat? und darüber soll ich mich freuen? Fritz. Nein, o nein doch! Schon seit einem Vierteljahre spart er alle Heller zusammen (und auch ich habe dazu gesteuert), um dir eine Freude zu machen. Du sollst erfahren, wie ehrlich wir zu den dreißig Kreuzern gekommen sind. Wir haben sie bei Herrn Wendler verdient. Du weißt, er gibt den Kindern gern Etwas, wenn sie ihm einen Gefallen thun. Auch die Aepfel und Nüsse sind nicht gestohlen. Die Nüsse haben wir gekauft und die Aepfel bekamen wir geschenkt. Für das Geld hatten wir ein Paar wollene Handschuhe auf den Win- ter für dich bestellt, damit dich nicht so frieren soll, üebe Mutter, und in kommender Woche, an deinem Geburtstage, wollten wir dich da- mit anbinden. Ich wollte die Aepfel und Nüsse in unserm kleinen Armkörbchen und Karl die Handschuhe auf einem neuen irdenen Teller dir bringen. Siehst du, nun weißt du Alles, liebe Mutter! Aber ach! nun ist dir die Freude verdorben! Mutter (mit Thränen ihn küssend). Nicht verdorben, lieber Fritz! Meine Freude ist nun doppelt groß! — 'Ach, verzeihe mir den Ver- dacht! Er kam aus Liebe zu euch. Ihr sollt lieber sterben, als un- ehrlich sein. Fritz. Aber liebe Mutter, der arme Karl würde weinen, wenn du ihm sagtest, daß du ihn für so böse gehalten hast. — Er hat sich auf deinen Geburtstag so herzlich gefreut! Wir wollen schweigen von deinem Verdachte und ihn auch nicht wissen lassen, daß sein Geheim- niß verrathen ist! Mutter. Recht so, mein lieber Fritz! Deinem Karl soll die Freude nicht verdorben werden. Mir thut es leid genug, daß ich deine verdorben habe.

7. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 14

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
14 scheu am nützlichsten wäre? Die Kuh sprach: Von mir hat er die süße Milch, den wohlschmeckenden Käse und die Butter, welche ihm das Oel ersetzt. Das Pferd sprach: Ich bin das Segel der Wagen und der Fittig des Reiters. Das Schaf: Ich gehe nackt und bloß, damit er gekleidet sei. Da kam der Hund zu ihnen. Den blickten sie verächtlich von der Seite an als ein unnützes, mit ihnen nicht zu vergleichendes Thier. Aber der Herr, welcher dem Hunde folgte, rief ihn freundlich zu sich, streichelte und liebkoste ihn. Da das die andern Thiere sahen, murrten sie, und das Pferd faßte sich ein Herz und fragte: Warum thust du also, Gebieter? Sind wir deiner Aufmerksamkeit nicht würdiger, als dieses unnütze Thier? Aber der Herr streichelte seinen Hund noch freundlicher und sprach: „Dieser hat, treu und kühn, mein geliebtes Söhnlein gerettet aus rauschen- den Wasserfluthen; sollte ich nun sein vergessen können?" Z o l l i k o f e r. 35. Die zwei Sperlinge. In einem trockenen Mißjahre quälte der Hunger zwei Sperlinge sehr; beide fühlten sich schon dem Verschmachten nahe. — „Sammle noch einmal deine Kräfte, lieber Bruder," sprach der Schwächste von ihnen, „fleuch umher und sieh', ob du nicht irgendwo einige Nah- rung entdeckest! Ich flöge gern mit, aber ich kann nicht mehr. Fin- dest du Speise, so bring auch mir Etwas davon! Aber nur bald; denn sonst hat der Hunger mich umgebracht." — Der Stärkere ver- sprach es und flog aus. Das Glück war ihm günstig. Er sah einen Kirschbaum voll reifer Früchte. — „O," rief er, „geborgen ist nun mein Freund und ich!" — Er flog hinzu, kostete, fand die Kirschen vortrefflich und stillte seinen Hunger bis zum Uebermaß. Eine Stunde verfließt; die Sonne senkte sich zum Untergange. Er will jetzt, mit einigen Kirschen beladen, zu seinem Freunde fliegen. — Doch nein! nein! denkt er wieder, noch bin ich selbst zu matt; noch will ich diese Kirsche verzehren und dann jene! — So fährt er fort; so flattert er von Ast zu Ast, bis die Dunkelheit ihn überrascht und er einschläft. Erst am Morgen erwacht er wieder und eilt nun wirklich zu seinem verlassenen Bruder. Er findet ihn — aus dem Rücken liegend — todt. Nichts sei dir heiliger, als die Erfüllung deines Versprechens, zumal wenn es dem Nothleidenden gegeben ist. Der Edle vergißt nn eignen Glück das Unglück seiner Brüder nicht. Meißner. 36. Der Wolf und das Lamm. Ein Wolf und ein Lamm kamen an den nämlichen Bach, um zu trinken. Oben an der Quelle stand der Wolf, viel weiter unten das Lamm. Da aber den Wolf nach dem Fleische des Lammes gelüstete, so suchte er eine Veranlassung, an dasselbe zu kominen. Darum hub er an, dem Lamm Vorwürfe zu machen. „Warum," sprach er, „machst du mir das Wasser, das ich trinken will, trübe?" Ganz bescheiden erwiderte das Lamm: „Gnädiger Herr, wie kann ich Ihnen /

8. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 15

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
15 das Wasser trübe machen, es fließt ja von Ihnen zu mir herunter." Das konnte der Wolf nicht läugnen; aber statt sich seiner Ungerech- tigkeit zu schämen, brachte er eine noch falschere Anklage vor. „Ja," sagte er, „eben kenne ich dich, du bist das Lamm, das mich vor einem halben Jahre geschimpft hat." „Ich bitte Sie, Herr Wolf," ant- wortete zitternd das Lamm, denn es merkte schon die böse Absicht seines Feindes, „vor einem halben Jahre war ich noch-gar nicht ge- boren." „Ei was," schrie jetzt der Wolf, dein es zu lange dauerte, „wenn du es nicht warst, so war es dein Vater;" und -damit machte er sich über das unschuldige Thierchen her und zerriß es. C u r t m a n. 37. Der alte Löwe. Ein alter Löwe, der von jeher grausam gewesen war, lag kraft- los vor seiner Höhle und erwartete seinen Tod. Die Thiere, welche sonst in Schrecken geriethen, wenn sie ihn sahen, bedauerten ihn nicht; denn wer betrübt sich wohl über den Tod eines Friedenstörers, vor dem man nie ruhig und sicher sein kann? Sie freuten sich vielmehr, daß sie nun bald ihn los sein würden. Einige von ihnen, die noch immer das Unrecht schmerzte, welches er ihnen ehedem angethan hatte, wollten nun ihren alten Haß an ihm auslasten. Der arglistige Fuchs krankte ihn mit beißenden Reden; der Wolf sagte ihm die ärgsten Schimpfworte; der Ochs stieß ihn mit den Hörnern; das wilde Schwein verwundete ihn mit seinen Hauern; und selbst der träge Esel gab ihm einen Schlag mit seinem Hufe. Das edle Pferd allein stand dabei und that ihm Nichts, obwohl der Löwe seine Mutter zerrissen hatte. „Willst du nicht," fragte der Esel, „dem Löwen auch Eins hinter die Ohren geben?" Das Pferd antwortete ernsthaft: „Ich halte es für niederträchtig, mich an einem Feinde zu rächen, der mir nicht schaden kann." Lessing. 38. Die Eichel und der Kürbifl. Der Bauer Gernklug war verdrießlich über den lieben Gott, daß er die Welt nicht besser eingerichtet habe. „Was ist es, sprach er, zum Beispiel für eine Verkehrtheit, daß der hohe Eichbaum ein so kleines Früchtchen trägt, während der prächtige Kürbiß auf der Erde liegen muß. Wenn ich die Welt geschaffen hätte, ich hätte das ganz anders eingerichtet. Wie schön hätten sich die gelben Kürbisse aus der grünen Eiche ausnehmen sollen." Während der kluge Mann so spricht, kommt er unter eine Eiche, und weil tf)iu der kühle Schatten gefällt, so legte er sich ins Gras und schlief ein. Unterdessen erhebt sich der Wind und schüttelt die Zweige der Eiche, und eine Eichel fällt und fällt unserem Gernklug gerade auf die Nase. Wie vom Blitz ge- troffen, fuhr der Bauer aus dem Schlafe auf und griff nach seiner Nase. Die war zwar noch da, aber sie blutete und schmerzte ihn ge- waltig. Als nun Gernklug das kleine Eichelchen ansah, das ihn so übel zugerichtet hatte, da fielen ihm die vermessenen Worte wieder ein, mit welchen er eingeschlafen war, und ganz kleinmüthig hob er

9. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 17

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
17 bekennt seinem Meister, den er um Gotteswillen um Verzeihung bittet. Der Meister aber wird vom Zorn ergriffen, zieht das Schwert und ersticht den Jungen auf der Stelle. Dann eilt er hinaus, will sehen, was noch vom Werk zu retten sei und räumt nach der Verkühlung ab. Als er abgeräumt hatte, siehe, so war die ganze Glocke trefflich ausgegossen und ohne Fehl; voll Freuden kehrte der Meister in die Stube zurück und sah nun erst, was für Uebels er gethan hatte. Der Lehrjnnge war verblichen; der Meister wurde eingezogen und von den Richtern zum Schwert verurtheilt. Jnmittelst war auch die Glocke aufgezogen worden. Da bat der Glockengießer flehentlich: Ob sie nicht noch geläutet werden dürfte, er möchte ihren Klang auch wohl hören, da er sie doch zugerichtet hätte, wenn er die Ehre vor seinem letzten Ende von den Herrn haben könnte. Die Obrigkeit ließ ihm willsah- ren, und seit der Zeit wird mit dieser Glocke allen armen Sündern, wenn sie vom Rathhaus herunterkommen, geläutet. Dieselben. 42. Das Riesenspielzeug. Im Elsaß liegt die Burg Niedeck, welche von Riesen bewohnt wurde. Einmal kam das Riesenfräulein herab und ging im Thal spazieren. Sie sah bei Haslach einen Bauer mit seinen Pferden einen Acker pflügen. So Etwas hatte sie noch nie gesehen. Sie kniete nieder, breitete ihre Schürze ans und raffte Pferde, Mann und Pflug hinein. Mit einigen Schritten war sie wieder den Berg hinauf und packte vor ihrem Vater, der noch bei Tische saß, die gefundenen Spielsachen aus. Sie hatte große Freude an den zappeligen, kleinen Dingern, klatschte in die Hände und lies lachend um den Tlsch herum. Aber ihr Vater sagte ernst: Das ist kein Spielzeug, mein Kind; wenn die Bauern nicht das Feld bestellten, so müßten wir bald Hungers sterben. Darum nimm sogleich die kleinen Geschöpfe wieder in die Schürze und trage sie sachte an den Ort zurück, wo du sie genommen hast. Das Fräulein weinte und wollte nicht; aber es mußte gehorchen. Dasselbe soll auch beim Schlosse Lichtenberg vorgefallen sein, welches in der hessischen Provinz Starkenburg liegt, in der Nähe von Reinheim im Odenwald. Lauckhard's Sagen. 43. Der Mäusethurm. Es war, wie die Sage berichtet, im Jahre nach Christi Geburt 968, als Hatto Ii., der Ostfranken Herzog, ein Mann von großer Klughelt und überhaupt glänzenden Geistesgaben, ginn Erzbischöfe von Mainz erwählt ward. Er war aber ein hartherziger Mann und dem Geize sehr ergeben, häufte daher Schätze auf Schätze xutb verwahrte sie sorgfältig. Während seiner Regierung trat zu Mainz und in der umliegen- den Gegend eine so große Hnngersnoth ein, daß die Armen aus Mangel an Lebensmitteln dahin starben. Ein großer Haufe drang vor Hatto's Schloß und bestürmte ihn mit flehenden Bitten um Lin- derung ihrer Noth. Lesebuch in Lebensbildern. 4. Nnfl. 2

10. Lesebuch in Lebensbildern für Schulen - S. 34

1853 - Oppenheim a.Rh. [u.a.] : Kern
34 „Dürft’ ich Sie wohl ersuchen,“ — sagte Columbus zu jenem vor- nehmen Hofmann — „dieses Ei so auf die Spitze zu stellen, dass es nicht umfällt?“ — Vergeblich versuchte dieser das Ei zum Stehen zu bringen. Der Nachbar bat es sich aus; es gelang ihm eben so wenig. Nun drängten sich die Andern dazu. Ein Jeder wollte den Preis gewinnen; allein Keinem war es möglich, das Kunststück aus- zuführen. „Es ist unmöglich!“ rief die vornehme Gesellschaft; „Ihr verlangt Unausführbares!“ — „Und doch ist es möglich,“ sagte Columbus. Er nahm das Ei, setzte es mit einem leichten Schlag auf den Tisch, und fest stand es auf der eingedrückten Schaale. — „Ja! das kann ein Jeder von uns“ riefen die Hofmänner. — Seit- dem hört man oft sprichwörtlich anwenden: „Das Ei des Columbus!“ 72. Merkwürdige Lebensrettung. Ein Buschmanns-Kind, kaum vier Jahre alt, schlief neben sei- nen Eltern in einer halboffenen Hütte. Gegen Mitternacht wachte es auf und setzte sich neben das noch brennende Feuer. Der Vater, welcher ein wenig nachher aufwachte, suchte sein Kind mit den Augen. Da sah er mit Schrecken einen Löwen in die Hütte treten und sich dem Feuer nähern. Der arme Kleine kannte weder Gefahr noch Furcht. Ruhig sprach er mit dem Thiere und warf heisse Asche nach ihm. Der Löwe brummte und näherte sich mit offenem Rachen. Da nahm das Kind einen glühenden Feuerbrand und warf ihn dem Löwen in den Rachen, welcher sogleich davon lief. 73 Claus Horn. § 1. Claus Horn war ein Sohn des reichen Johann Horn und ein Enkel des berühmten Gelehrten Erich Horn. Ich nenne seine Vorfahren, weil sein eigener Name nicht gar zu bekannt ist. Er hatte einen natürlichen Abscheu vor aller Arbeit. Seine Tugenden bestanden in zehntausend Thalern Einkünften. Wenn ihn die Vor- sehung nicht mit diesem Vorzüge begabt hätte, so würde er seinem Vaterlande zur Last gefallen sein. § 2. Seine Berufsart war die, dass er aus dem Bette auf- stand und sich wieder niederlegte. Obgleich er neun und fünfzig Jahre lebte, so hat er sein Alter doch nur auf neunzehn Jahre ge- bracht. Man muss nämlich diejenige Zeit davon abrechnen, in wel- cher er schlief. § 3. Die Gerechtigkeit muss man ihm wiederfahren lassen, dass er einsah, wie wenig Antheil er an dem Vermögen hatte, welches nicht er, sondern seine Voreltern durch Fleiss erworben. Um desswillen betrachtete er sich nur als einen Verwalter fremder Güter, von welchen er einmal Rechnung ablegen müsste. § 4. Was er zu seiner grössten Nothdurft brauchte, das nahm er davon; weiter Nichts. Hätte er durch sein Vermögen not- leidenden Fremden beistehen sollen, so würde er dieses für einen
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